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Erster Einsatz in Polen

Ende Juni 1944 bis September 1944


Nach einer langen Eisenbahnfahrt in Waggons über Berlin kamen wir gegen Ende Juni 1944 in Polen an und fuhren direkt durch bis auf die Ostseite von Warschau zur Industrie- und Arbeitersiedlung Praga. Kurz nach unserer Ankunft mussten wir den Zug fluchtartig verlassen, da russische Jagdbomber erschienen und Bomben warfen. Die Luft wurde eisenhaltig, und der „Heldentod“ ließ grüßen! –


Die deutschen Truppen hatten seit Stalingrad im Januar 1943 keinen Siegeszug mehr antreten können. Inzwischen befand sich das Gros der Heeresmacht bereits ausserhalb des russischen Reiches. Der Druck der russischen Armeen nahm ständig zu, die deutschen Reserven nahmen ständig ab. Die Kampfmoral der kämpfenden Truppen wurde schwer strapaziert. Fronteinbrüche, besonders an Frontstellungen, wo deutsche Verbündete kämpften, waren nicht selten. Man setzte noch auf die „Begeisterung“ der Freiwilligen-Armeen. Dazu gehörte u.a. auch die Division „Hermann Göring“, die von Italien kommend nun in Polen eingesetzt wurde. Ihr Kampfauftrag hiess: Fronteinbrüche abriegeln, danach hinhaltenden Widerstand leisten und so notwendige und geordnete Rücknahme von Kampfverbänden ermöglichen. Das traf auch für unsere Einheit zu, und so mussten wir oftmals Feuerwehr spielen.  Das hatte aber zur Folge, dass wir ständig Ausfälle wegen Tod oder Verwundung hatten. Da wir uns grundsätzlich auf dem Rückzug befanden, gab es zwischendurch auch keine „ruhigen Zeiten“. Wir waren ständig unterwegs. Mir sind nach all den Jahren viele Orte und Begebenheiten nicht mehr in Erinnerung. Besonders haften geblieben sind die Situationen, wo der viel gepriesene Heldentod nur vielleicht ein Schritt weiter von mir weg war. Wenn ich also heute mit über 75 Jahren auf die verhältnismäßig kurze Zeit des Fronteinsatzes zurückblicken darf, dann ist es nicht das Verdienst meiner Tüchtigkeit oder Bewährtheit als Frontsoldat, sondern ich kann es nur als das ständige Bewahrtbleiben durch die gütige Hand Gottes erklären. Der Vater im Himmel hat die Gebete meiner Lieben daheim gnädiglich erhört. Die Feldpostbriefe schlossen meistens mit dem Vermerk: Heinz, wir beten für dich, dass du wieder wohlbehalten heimkommst. -  


Bereits 1940 war in Warschau ein Juden-Ghetto eingerichtet worden, und so befanden sich Hunderttausende von Juden dort. Als wir eintrafen, bemerkten wir, dass Sturzkampfbomber eingesetzt wurden. Auf unsere Frage, was das bedeuten würde, da die Frontlinie noch weiter ostwärts verlief, wurde mitgeteilt, die Juden hätten einen Aufstand angezettelt. (Hier verwechselte mein Vater den im Jahr zuvor erfolgten Aufstand der Juden des Warschauer Ghettos vom 19.4.-16.5.1943 mit dem Warschauer Aufstand der Polnischen Heimatarmee vom 1.8.-2.10.1944, in dessen Bekämpfung einzelne Kameraden von ihm verwickelt wurden. Seine Schilderung entspricht Angaben in Wikipedia über seine Division. Demnach waren Einheiten der Division, die zuvor bereits in Italien Kriegsverbrechen an der italienischen Bevölkerung begangen hatte, an den Kämpfen während des Warschauer Aufstandes beteiligt. Dabei wurde auf Befehl Hitlers die Stadt zerstört, und es wurden Massenexekutionen an Zivilisten durchgeführt. Soldaten der Division sollen bei diesem Kampf  Zivilisten als menschliche Schutzschilde für die Panzer verwendet haben.) Wenige Tage später befanden wir uns in einem Fort am westlichen Stadtrand der Hauptstadt. Für uns unerwartet erschien plötzlich Waffen-SS. Einige von uns wurden an sie „ausgeliehen“. Als sie nach Stunden zurückkehrten, hörten wir, dass sie auf Flüchtlinge hatten schießen müssen, da Aufständische unter ihnen seien. Ich habe nicht gehört, dass sich einer geweigert hat, den Befehl auszuführen. Wie hätte ich mich verhalten? Ich war nur heilfroh, dass ich nicht zu den „Auserwählten“ gehört hatte. 


Im vorerwähnten Fort erfolgte nun die Aufteilung auf die verschiedenen Regimenter der Division, die hier im Einsatz waren. Alle Rekruten, die Abiturienten waren, wurden zu Offiziersbewerbern gemacht und den Grenadier-Regimentern zugeteilt. Hier konnten sie sich „bewähren“. (Er sei froh gewesen, kein Abitur gehabt zu haben, weil er sonst Offiziersanwärter geworden und dann rasch gefallen wäre.) Nach meiner Kenntnis sind alle Kameraden, die in Hilversum zu meiner Gruppe gehörten, spätestens innerhalb der nächsten 3 Monate gefallen. Darunter waren wirklich prächtige Jungen. In besonderer Erinnerung sind mir drei Förstersöhne aus Schlesien, die sich als hervorragende Schützen herausstellten. Sie hatten sich auch  im allgemeinen Umgang immer als sehr kameradschaftlich gezeigt.


Ich selbst wurde nun einer Panzeraufklärungsabteilung zugeteilt, zu der ich auch bis zu meiner Verwundung im Februar 1945 gehörte. Die Einheit nannte sich  1.Fallschirm-Panzer-Aufklärungs-Abteilung I „Hermann Göring“. Das Einsatzgebiet lag bei Sochaczew, westlich von Warschau, schon diesseits der Weichsel. Es galt, einen Einbruch der Russen abzuriegeln. 


Meine Einführung in diese Fronteinheit war nicht rühmlich. Von Warschau aus waren wir bis zu einem gewissen Punkt hinter der Front gefahren worden. Nun hieß es „Umsteigen“ in enge Schützenpanzerwagen (SPW). Auf dem Weg zum Kompaniegefechtsstand (KGSt) mussten wir ein Gelände überqueren, das vom Russen eingesehen werden konnte. Der Fahrer unseres SPW gab Vollgas, und wir wurden so durchgeschüttelt, wie ich es bisher noch nie erlebt hatte. (In der Ausbildung bewegten wir uns ja nur auf Fahrrädern.) Dann hieß es schnell aussteigen, antreten, stillstehen. Diesem plötzlichen Wechsel war ich körperlich nicht gewachsen, ich fiel um. Als der Leutnant kam, um die Neuankömmlinge zu begrüßen, lag ich flach. 


Wir befanden uns nun in einem Waldgebiet. Am Ende einer engen Waldschneise, die hier z.T. die Frontlinie bildete, lag das Försterhaus. Hierin lag auch unser Kompaniegefechtsstand. Der Wald hatte ziemlich dichtes Unterholz. Hier gruben wir uns ein und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Für die meisten unter uns war es die erste Feindberührung. In der Nacht griff der Russe an. Der KGSt wurde von einem Panzer beschossen und voll getroffen. Mein Kamerad, unteres Bild, ganz links, ein blonder Förstersohn, war als Melder eingeteilt worden und ist in dieser Nacht gefallen. 

Der blonde Förstersohn unten links hat eine Fahrradluftpumpe im Gürtel stecken.

Es kam zum Nahkampf. Wir haben uns gewehrt. (Ein Kamerad neben ihm, ein ausgesprochen netter Mann, habe eine Stabhandgranate abgezogen, zählte aber nicht bis drei. Der Russe hätte die Granate in der Luft geschnappt und ihm zurückgeworfen) Sie krepierte vor dem Kopf dessen, der sie geworfen hatte. Dabei hatten wir den Umgang mit Handgranaten gelernt! Das war nun der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Es gelang uns, uns im Schutze der Nacht einige Hundert Meter zurückzuziehen und dort neue Schützenlöcher zu graben. Links und rechts von mir hatte es gekracht, aber ich blieb bewahrt.


Nach Ablösung durch Heerestruppen kamen wir in den Großraum Radom. Nicht weit von der Weichsel entfernt gibt es den Ort Pionky. In der näheren Umgebung hatte es einen Fronteinbruch gegeben. Wir kamen in ein Gebiet, das zum großen Teil sehr sumpfig war. Nur durch eine etwa 6 - 8 m breite Schneise konnte man zu den gerade erst von der Infanterie aufgegebenen Stellungen gelangen, die wir nun einzunehmen und zu verteidigen hatten. Als wir versuchten, in breiter Front vorzugehen, sanken wir bis zu den Waden ein. Der Kompaniechef sagte: „Vorwärts, schneller vorwärts! Wer hier zurückgeht, wird erschossen!“ Das war beileibe keine Ermutigung für uns. Der Russe war auch hier nicht fern. Einige tote russische Soldaten lagen noch auf einem Feld vor unseren Schützenlöchern, die noch nicht alle durch Gräben miteinander verbunden waren. Es war schönes Wetter. Durch die intensive Sonnenbestrahlung blähten sich zunächst die Leichen auf, um uns dann ständig mit dem unangenehmen, süßlichen Verwesungsgeruch zu versorgen. Eine Bergung der toten Körper war wegen der totalen Einsehbarkeit des Geländes nicht möglich. 


In diesem Zusammenhang ist mir bis heute ein bedrückendes Erlebnis in guter Erinnerung geblieben. Ich teilte mein Schützenloch mit einem jungen Gefreiten, der Jagdflieger werden wollte. Bei einem Übungsflug hatte er den Zusammenprall mit einer anderen Maschine verursacht. Nach der Landung wurde er sofort als angehender Pilot entlassen. „Wollen Sie zur Infanterie oder zur Division Hermann Göring?“ hatte man ihn gefragt. Er hatte sich für Letzteres entschieden, und so kam er zu uns. Wir beide kamen gut miteinander aus und teilten uns in unsere Aufgaben. Wegen der täglichen Granatwerferbeschiessung durch die Russen hatten wir unser Schützenloch weiter nach unten ausgebuddelt, um wenigstens die Köpfe zu schützen. Bei einem Volltreffer hätte uns das nichts genutzt. Schon am 2. oder 3. Tag war unser Kompaniechef vor dem Gefechtsstand gefallen, da ihm eine Granate direkt in den Rücken fuhr. Er wurde förmlich in der Luft zerrissen. 


Mein „Lochgenosse“ hatte sich am Morgen erhoben und das Gelände vor uns überprüft. Als er sich setzte, fragte ich ihn, ob er auch die Toten gezählt habe. Wir hatten immer Angst, es könnte sich ein Russe im Schutze der Nacht bis zu den Toten vorgearbeitet haben und stände plötzlich mit seiner MP vor unserem Loch. Er sagte zu mir: „Ich zähle schnell noch mal nach.“ Es mussten 6 oder 7 sein. Er hatte kaum seinen Kopf aus der Deckung genommen, da hörte ich einen Schuss, und mein Kamerad fiel rückwärts auf mich. Ein Scharfschütze hatte ihn durch das rechte Auge hindurch tödlich getroffen. Wir konnten ihn erst zurückschaffen, als es die Dämmerung erlaubte. War ich schuld an seinem Tod? Bis vor wenigen Sekunden noch schicksalhaft eng verbunden, nun musste ich versuchen, ihn gerade hinzulegen. Ich war gerade 18 Jahre, er etwa ein Jahr älter. Sein Leben war zu Ende, wann war ich dran?


In dieser Stellung bin ich noch zweimal sichtlich bewahrt geblieben. An einem Morgen, vor Sonnenaufgang, war ich als Essenholer eingeteilt. Ich musste dabei über die eben erwähnte enge Schneise nach hinten, wo ein SPW mit Verpflegung gekommen war. Die Russen hatten schon über Lautsprecher gerufen: „Kameraden, empfangt Verpflegung!“ Sie wussten also bestens Bescheid. Gerade als ich auf der Mitte der Engstelle war, schossen die Russen mit dem MG und mit Leuchtspurmunition. Einen halben Meter rechts von mir zischten die Geschosse vorbei. Ich warf mich zu Boden und landete kurz vor 2 Leichen, die schon von Würmern zerfressen wurden. Dann bin ich etwas zur Seite gerobbt und wieder aufgestanden und gebückt vorwärts gegangen. Wären meine Kochgeschirre schon gefüllt gewesen, wäre sicherlich alles Flüssige verloren gewesen. Auf dem Rückweg nahm ich einen jungen Soldaten in Tarnanzug mit. Er wollte zum Kompaniegefechtsstand. Ich sagte ihm, dass unser Chef gefallen sei. Antwort: „Ich weiß es, ich bin nämlich der Neue!“ (Innerhalb kurzer Zeit seien drei Kompaniechefs gefallen.)

 

Wo gegessen wird, muss man auch später etwas entsorgen. Toilettenanlagen gab es nicht. Man ging gebückt in den Graben, nahm den Spaten, grub ein entsprechendes Loch und erledigte sein Geschäft. Der Graben zu unserem Schützenloch war höchstens 80 cm tief. Ich hatte Post empfangen und war mit meinen Gedanken ganz weit weg. Um nun meine Unterhose und Hose wieder in Ordnung zu bringen, richtete ich mich voll auf. Bei 1,86 cm Körpergröße kam ich erheblich über den Grabenrand hinaus. Ich muss auf meine Gegner geradezu herausfordernd gewirkt haben. Plötzlich pfiff es um mich her, als ob mehrere russische Schützen ihr Glück versucht hätten. Ich blieb unversehrt. Meine Stunde war noch nicht gekommen. 


Nach etwa 4-5 Tagen wurden wir wieder von Heeresinfanterie abgelöst. Im Nachbarabschnitt hatte ein Grenadierregiment unserer Division einen Gegenangriff gestartet. Er blieb im starken Abwehrfeuer der russischen Linie stecken. Einige meiner Kameraden aus Hilversum sollen dabei gefallen sein. 


(Er erinnerte sich daran, daß er von der Division Hermann Göring beauftragt worden sei, aus einem Dorf Richtung Warschau, aus dem viele junge Männer zu den Partisanen gegangen seien, junge Männer rauszuholen. So sei er alleine in ein Haus gegangen. Im Wohnraum habe eine Mutter mit etlichen Kindern gestanden. Die seien zu klein gewesen. Aber auf dem großen Kachelofen habe oben ein junger Mann gelegen, den er aufgrund seines Alters hätte mitnehmen müssen. Die polnische Mutter hätte ihn auf Polnisch angefleht für ihren Sohn. Da habe er in diesem Moment daran gedacht, dass seine Mutter ihm in Feldpostbriefen immer schrieb, dass sie und sein Vater ständig dafür beten würden, dass er heil aus dem schrecklichen Krieg herauskäme. Nun habe eine andere Mutter vor ihm gestanden, die für ihren Sohn gefleht habe. Da habe er sie beruhigt und ihren Sohn nicht mitgenommen. Ein paar Tage später sei er in eine Lage geraten, wo er von Partisanen erschossen werden sollte. Da habe ein junger Mann für ihn gesprochen, so dass sie ihn laufen gelassen hätten.)     


Wenn ich mich recht entsinne, fiel in diese Zeit auch die Nachricht über den Mordanschlag auf Hitler am 20.7.44. Wir waren alle entsetzt, dass es offensichtlich im Offizierscorps der Wehrmacht Leute gab, die den Führer umbringen wollten. Zugleich wurde uns mitgeteilt, dass durch Verräter dieser Art auch Kraftreserven zurückgehalten worden wären. Demnächst bekämen wir Entlastung durch den Einsatz starker Panzerkräfte, die bisher im oberschlesischen Raum auf den Einsatzbefehl gewartet hätten. Ebenfalls sollte es auch wieder mehr Unterstützung durch die deutsche Luftwaffe geben. Einprägsam war, dass ab sofort der militärische Gruß abgeschafft wurde und wir, wie bisher allein die Waffen-SS, mit dem sog. deutschen Gruß durch Heben des rechten Arms zu grüßen hatten. 


Dass es Kräfte gab, die Kampfmoral negativ zu beeinflussen, erfuhren wir durch die russische Propaganda per Lautsprecher. Es meldete sich das sog. „Komitee Freies Deutschland“, das von deutschen Generälen und Offizieren nach dem Fall von Stalingrad gegründet worden war. Man forderte uns auf, in der Nacht zu desertieren, mit dem berüchtigten Anhängsel: „Kameraden, kommt herüber zu uns. Tausend hübsche Frauen warten auf euch!“   


Über Nacht ging es zu einem anderen Frontabschnitt. Es war ein Getreidefeld, auf dem noch Garben standen. Die Gegend war nicht ganz flach, sondern vor uns lag eine leichte Anhöhe mit dichtem Baumbestand. Dahinter sollte nun die Hauptkampflinie sein, die es zu sichern galt. Wir befanden uns somit im Bereitstellungsraum. Wir hatten in unserer Gruppe zwei MG 42, sodass jeder Schütze außer seinem Karabiner und der Gasmaske noch 2 Munitionskästen schleppen musste. Am späten Vormittag hatte uns der Russe erspäht und sandte nun seine Jagdbomber IL 2. Mehrfach kamen sie von links und eröffneten das Feuer. Es ist ein Gefühl besonderer Art, wenn man in das Mündungsfeuer der Maschinenwaffen sehen kann, dabei völlig wehrlos ist und nur hofft, dass alle Schüsse danebengehen, was einen selbst betrifft.  Man konnte die Piloten erkennen, so tief flogen sie. Ich hatte mich unter einem Garbenhaufen versteckt und „schützte“ meinen Kopf dadurch, dass ich die beiden Munitionskästen vor mich stellte. Bei jedem Angriff spritzte und pfiff es um mich her. Plötzlich rief einer: „Ich bin verwundet!“ Mit einem anderen Kameraden zusammen sprang ich zu dem Verwundeten hin. Wir nahmen ihn in die Mitte und brachten ihn zu einem Platz, wo ein SPW die Verwundeten übernehmen sollte. Die Angriffe gingen weiter. Auf dem Weg zur Sammelstelle wurde der Verwundete nochmals verwundet (und starb sofort), wir beiden anderen blieben unverletzt. Durch die Beharkung durch die Jagdbomber erlitten wir so viele Verluste, dass wir nicht mehr einsatzfähig waren und zurückgezogen wurden. 


Neuer Frontabschnitt, neue Situationen. Pioniere hatten einen Minengürtel gelegt, um einen Durchbruch an dieser Stelle zu erschweren. Wir bekamen den Auftrag, Vorpostenstellungen vor den eigenen Minenstellungen einzunehmen und die Bewegung auf der gegnerischen Seite zu beobachten, schließlich waren wir doch dem Namen nach eine Aufklärungsabteilung. Wir kamen uns dabei so nahe, dass wir das Reden der Russen vernehmen konnten. Aber wir verstanden kein Wort, denn niemand unter uns beherrschte die Sprache. Was sollte es also? Es war zwar nur ein Kurzeinsatz, aber nicht minder gefährlich. Es stellte sich nämlich heraus, dass russische Truppen links und rechts von uns vorgedrungen waren und wir im Begriff waren, von der HKL (Hauptkampflinie) abgeschnitten zu werden. Beim Herauslösen aus unseren Stellungen mussten wir höllisch Acht geben, die vorgegebenen Pfade zu benutzen, um nicht in die eigenen Minenfelder zu laufen. Nachdem wir uns gesammelt hatten, musste jeder überprüfen, ob nichts schepperte. In der Dunkelheit sollte eine Strecke überwunden werden, die vom Russen eingesehen werden konnte. Wir gingen in langer Reihe, einer hinter dem anderen. Sobald die Russen Leuchtraketen hochschossen, mussten wir zu Stein erstarren. Jede Bewegung konnte uns verraten. Wir wären in dieser Situation am helllichten Tag das gefundene Fressen für ein MG gewesen. Ich erinnere mich nur, dass ich Angst hatte und überglücklich war, als wir aus der unmittelbaren Gefahrenzone heraus waren. 


(Bei einer anderen Gelegenheit seien sie durch die russische Linie durchgebrochen. Einer sei dann über einen geraden Weg von etwa 40-50 m Länge zum Kompaniegefechtsstand gelaufen, um Meldung zu machen. Als er dort im Eingang angekommen sei, sei plötzlich ein russischer Panzer am Ende dieses Weges aufgetaucht und hätte sofort eine Granate auf den Kameraden abgefeuert, der dann natürlich tot gewesen sei. Da sei ihm das Herz in die Hose gerutscht.)


In einem Ort, dessen Name mir entfallen ist, wurden polnische Einwohner gezwungen, sog. Panzergräben auszuheben. Wir hatten dabei die Aufgabe, die Arbeiten zu überwachen. Es war aber nur ein kurzer Job.   


(Sie seien auch durch Orte gekommen, in denen Frauen massakriert worden seien, indem man ihnen die Brüste abgeschnitten hätte. Ob Russen deutsche Frauen oder die Wehrmacht polnische Frauen so zugerichtet hätten, habe er nicht erfassen können. Es sei so furchtbar gewesen, daß er die Erinnerungen daran nicht habe vergessen können.

Unsere Einheit war durch die Ausfälle immer wieder neu aufgefüllt worden. Eine intensive Beschäftigung mit den Kameraden ringsum kam nicht zu Stande, von evtl. Freundschaften ganz zu schweigen. Man lebte nur von Tag zu Tag und war mitunter abends nicht sicher, ob man den kommenden Morgen noch erleben würde. 


Eines Tages bekamen wir auch eine neue Auffrischung durch Soldaten, die wie ich aus Holland kamen und seit unserer Verlegung zur Ostfront mit denselben Ausbildern im Kampf gegen englische Luftlandetruppen bei Arnheim im Einsatz gewesen waren. Der Spiess habe sich in allem als sehr gut erwiesen. Bei meiner Rückfrage nach Uffz. Zeitel erhielt ich die Auskunft, dass er schwer verwundet worden sei und ein Bein verloren habe. Meine Reaktion war nicht gut und immer noch vom Zorn bestimmt: „Schade, dass er noch lebt. Man hätte ihn totschießen sollen.“ Feldwebel Bargatzki war gefallen. Er hatte damals den 3. Zug unter sich und war vorher für eine Zeitlang Vorgesetzter in einer Strafkompanie gewesen. Wenn die Jungens auf sein Kommando hin nicht schnell genug auf dem Boden lagen, schimpfte er sie als Feiglinge und Landesverräter aus und schoss mit seiner Pistole über sie weg. Es gab halt noch keinen „Wehrbeauftragten“, der für Reklamationen zuständig war.


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